In Ihrem Artikel „Presse und Profit“ hat die ZEIT ein Thema aufgegriffen, dass vor allem den Buchhandel bewegt – sich aber auf viele Einzelhändler übertragen lässt: den Wandel großer Zeitungshäuser zu „digitalen Warenhäusern“. Das Stöbern im Buchladen oder auch der Einkauf von Lebensmitteln – Online-Riesen wie Amazon & Co. ersetzen längst den Gang zum Laden. Dadurch floriert natürlich das digitale Business. Aber es zeigt sich auch, dass die Vielfalt digitaler Angebote leidet. Die Zielgruppen sind das Online-Shopping Erlebnis längst gewöhnt – und wollen nun auch online das Besondere erleben.
„Nur wer sein Angebot möglichst genau auf die Interessen der Leser ausrichtet, wird diese in Zukunft noch erreichen. Geliefert wird bedürfnisorientiert, Behaglichkeit geht vor Relevanz. Wer jedoch den Leser kennen will, muss den Menschen dahinter durchleuchten, ihn dazu bringen, möglichst viele Details von sich zur Lektüre freizugeben, auf dass er entsprechend seinen Neigungen bedient werde: dem Fußballfreund die Bundesliga, dem Literaten die wichtigsten Romane, dem Börsenfreak die Kursdaten.“
Der russische Digital-Experte Evgeny Morozov hat sich in einem Essay, auf das sich die ZEIT bezieht, Gedanken über das Verhältnis von Menschen zu Content ein paar sehr interessante Gedanken gemacht. Im obigen Zitat skizzierten Modell dreht sich vor allem um die Frage, wie sich in der digitalen Wirtschaft das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage jetzt und künftig gestalten wird. Individuelle Inhalte gegen möglichst viele Daten lautet Morozovs Einschätzung.
Ich denke, so falsch liegt er damit nicht. Online-Marketing Kanäle wie Retargeting oder Empfehlungsnetzwerke wie plista leben davon, dass Klickdaten vorliegen und Auskunft über das Userverhalten geben. Erst damit können die Inhalte wie Werbebanner oder Anzeigen gezielt auf die einzelnen Zielgruppen ausgerichtet werden. Erst mithilfe von Kundendaten wird der Content „bedürfnisorientiert geliefert“.
Einen großen Nachteil hat der starke Fokus auf datengetriebenes Marketing. Da nur die Inhalte mit den meisten Klicks als wirklich relevant gelten, geht die Vielfalt verloren. The winner takes it all, wie es so schön heißt. Zieht man den Vergleich mit dem klassischen Buchladen heran, dann fällt das gemütliche stundenlange Stöbern in unzähligen Buchsortimenten komplett weg. Man wird unmittelbar zu den Top 10 der Bestsellerlisten geführt. Aber was, wenn man nun nicht Harry Potter, Shades of Grey oder Twilight lesen will, sondern z.B. ein Buch über Vampirkult, magische Anekdoten oder eben Pärchenratgeber, die nicht von allen gelesen werden?
Der Einsatz und die Analyse von Meta-Daten ist für Buch-Sortimente eine Lösung, um wieder Vielfalt zu schaffen. Meta-Daten spielen eine entscheidende Rolle für User, die den Reichtum unzähliger Bücher entdecken und sich online durch aufregende Themenwelten mit neuen Ideen navigieren wollen. Einige Anwendungsfälle:
• Erweitung bestehender Meta Daten Schemata wie ONIX im Buchhandel um semantische Meta Daten
• Integration von Standards wie SKOS, um das Wissen des Buchhandels über Content und Storylines abzubilden
• Standards zum Mapping semantischer Konzepte zwischen unterschiedlichen Subjekt Domains
• Standards für redaktionelle Kampagnengetriebene Kontrolle von Suche und Produktempfehlungen
Dann gibt es da noch das WDF/IDF-Prinzip. Netzilicious Media hat das Konzept sehr schön beschrieben:
“WDF, oder “Within Document Frequency”, gibt die Wiederholungsrate einzelner Wörter innerhalb eines Textes an. Im Vergleich zur Keyword-Dichte, oder Keyword-Density, welche die prozentuale Verwendung eines Wortes in einem Text im Verhältnis zur Gesamtzahl der Wörter angibt, kann mithilfe der WDF-Methode der gesamte Text und alle darin enthaltenen Wörter analysiert werden. Dadurch ist es möglich, ungewollte Wort-Wiederholungen bewusst zu vermeiden. Außerdem lässt sich genau erkennen, welches das zweithäufigste-, dritthäufigste Wort, etc. eines Textes ist. Im übertragenen Sinne könnte man sagen, man erhält den Bauplan des Textes, gewissermaßen eine Art DNA.”
Mir gefällt der Vergleich mit der DNA. In der Tat muss man die DNA von Content entschlüsseln, analysieren und auf dieser Grundlage neue Konzepte für spannende Inhalte (Landingpages, Themenwelten etc.) zu entwickeln, um neue Impulse im Online-Shopping zu setzen. Eines muss man bei diesen Analysen allerdings beachten: Häufig hat man es mit Produkten zu tun, deren Beschreibungstexte nicht unbedingt die Keywords enthalten, nach denen User wirklich suchen. Gerade im Bereich Belletristik kann es sehr oft vorkommen, dass Leser einen Buchtitel gar nicht genau kennen und sich trotzdem für das Buch interessieren. Wer die Verfilmungen von Krimi-Legende Donna Leon liebt und endlich auch mal die Bücher dazu lesen möchte, die Autorin aber nicht kennt, der sucht z.B. nach Hauptdarsteller Joachim Krol – oder dem Protagonisten Brunetti. Ähnliches gilt für Serienphänomene wie Twilight. Viele Zuschauer kennen Schauspieler Robert Pattinson, aber nicht Autorin Stephenie Meyer. Hier helfen semantische Wortfeld-Analysen.
Ermittelt wurde im obigen Beispiel, wie „stark“ bestimmte Schlüsselwörter, bzw. Keywords, im Hinblick auf verschiedene Inhaltskategorien im Vergleich zu einem normierten Durchschnitt sind. Die Analyse wird in einer grafischen Darstellung der relativen Stärke in einzelnen Kategorien geliefert.
Gerade im Belletristik-Bereich besteht die Herausforderung bei der Wahl relevanter Schlagworte für Verlagscontent darin, die nicht unmittelbar aus den Texten hervorgehenden Keywords zu ermitteln. Im Bereich der Kriminalromane zum Beispiel spielt für Bücher von Donna Leon die TV-Verfilmung und Protagonist Kommissar Brunetti eine große Rolle. Zu den Donna Leon Büchern gibt es evtl. auch Bücher zur Verfilmung und umgekehrt. Ein ähnliches Phänomen herrscht z.B. bei Harry Potter oder der Vampirserie Twilight vor. Hier existierte ursprünglich eine Buchserie und im Anschluss an die Verfilmungen entstanden aus dem Buchmaterial im Rahmen des Film-Merchandisings weitere Buchtitel.
Mithilfe solcher Analysen können Redakteure oder Shop Manager auch den impliziten semantischen Raum abdecken und nicht nur die expliziten Begriffe. Beispiel ist der Schauspieler Joachim Krol. Der Leser/Zuschauer hat z.B. den Namen des Darstellers parat und sucht nach dem Buch. Donna Leon fällt ihm nicht ein, wohl aber der Film Venezianische Scharade und eben Krol. Setzt man die mit unserer Hilfe ermittelten Keywords also in redaktionellen Themenwelten bzw. im SEA/SEO (Adwords-Anzeigen, SEO-Texte etc.) ein, dann antizipiert man diese Suchanfragen und erschließt neues Conversion-Potenzial.